Rettet die Musikhochschulen


Gast

/ #1891 Prof. Ingo Goritzki

2013-09-25 02:47

Offener Brief Ingo Goritzki

Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Staatsministerium Baden-Württemberg
- Richard Wagner Str. 15
- 70184 Stuttgart

Verehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
Natürlich haben Sie von dem Konzept Ihrer Wissenschaftsministerin bezüglich der
„Weiterentwicklung“ der Musikhochschulen im Land nicht aus der Presse erfahren. Können Sie
sich dennoch vorstellen, wie Betroffenen zumute war, die diese Erfahrung machen mussten?
Es ist eine gute demokratische Tugend, Entscheidungen, vor allem im politischen Leben, durch
Dialoge und Kompromisse herbeizuführen.
Musste zuerst dieses fragwürdige Papier Ihrer Ministerin mit Getöse und via Presse auf den Tisch
kommen, damit eine fachlich orientierte Diskussion über diese Problematik überhaupt erst
beginnen konnte?
Gebieten Sie solchem Treiben Einhalt und wagen Sie wieder mehr Demokratie!
Stellen Sie Ihrer offensichtlich überforderten Ministerin Fachleute zur Seite, die sie künftig von
solchen blamablen Alleingängen fernhalten:
Kompetente Kulturschaffende, die Nutzen und Schäden von weitreichenden Entscheidungen in
der Balance halten können; Finanzbeamte, die ganz einfach richtig rechnen können.
Für die Weiterentwicklung der Musikhochschulen im Land, die diesen Namen verdient, ist
gewiss grosser Weitblick erforderlich.
Ganz besonders gilt das für die Musikhochschule Mannheim, die sich in den vergangenen
Jahrzehnten so stürmisch entwickelt hat. In der Stadt des legendären Orchesters, das einst einen
für ganz Europa richtungsweisenden Musikstil prägte, die damals den jungen W.A. Mozart anzog
wie später den jungen Wilhelm Furtwängler und heute eine lange Reihe internationaler Solisten
und Pädagogen.
Trossingens eigenständig und klug entwickeltes Institut, dem ich übrigens meine ersten Schritte
in Richtung Musik als Beruf verdanke, bedarf ebenso einer genauen und differenzierten
Beobachtung.
Solche gewachsenen Strukturen wissentlich oder unwissentlich zu zerschlagen, nur um einer
kurzlebigen Ideologie willen, zeugt jedoch von bedenklicher Kurzsichtigkeit.
Zögern Sie nicht länger, in einen von Sachkenntnis geprägten Dialog mit Beteiligten und
Betroffenen einzutreten, bevor die Schäden irreparabel werden.
Hochachtungsvoll.


Prof. Ingo Goritzki
Professor Emeritus der Musikhochschulen Hannover und Stuttgart
Gastprofessor der „Korean National University of Arts“ in Seoul
Intendant des Klassikfestivals „Sommersprossen“ in Rottweil