Offener Brief von Eltern der Fabido

An:
Oberbürgermeister Ulrich Sierau/Arno Lohmann, Betriebsleitung Fabido
Zusätzlich zur Kenntnisnahme an:
Ernst Prüsse, SPD-Fraktionsvorsitzender/Ingrid Reuter, Grüne-Fraktionsvorsitzende/ Ulrich
Monegel, CDU-Fraktionsvorsitzender/ Lars Rettstadt, FDP-Fraktionsvorsitzender/Fraktion Die
Linke/ Fraktion Piraten
Und die Medien: WAZ-Dortmund, Ruhrnachrichten Dortmund, Radio 91.2, WDR-Lokalstudio
Dortmund, RTL
Betreff: Wir bitten um längere Öffnungszeiten für Kitas - aber nicht auf Kosten des Personals
Dortmund, 16.2 2013
Sehr geehrter Herr Sierau, sehr geehrter Herr Lohmann,
„Dortmund ist eine familienfreundliche Stadt“ – damit wirbt Dortmund im Internetauftritt der Stadt. Und: „Die soziale Infrastruktur der Stadt entwickelt sich stets weiter“. Dem widerspricht ganz fundamental eine Entscheidung, die der städtische Kindergartenträger Fabido getroffen hat:
Ab August wird unsere Kita nur noch von 7 bis 16 Uhr statt wie bisher bis 17 Uhr geöffnet sein und auch andere Fabido-Kitas werden ihre Öffnungszeiten kürzen – gerade diejenigen Einrichtungen, für die sich berufstätige Eltern aufgrund ihrer Öffnungszeiten entschieden haben.
Das ist ein herber familienpolitischer Rückschritt für Dortmund: Die soziale Infrastruktur für Kinder von berufstätigen Eltern wird abgebaut, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf behindert – trotz der vielen schönen Worte in den Parteiprogrammen. Kinder zu haben soll in Dortmund offenbar heißen: Mindestens ein Elternteil soll Teilzeit arbeiten gehen. Und wer sein Kind allein erzieht, soll dann finanziell sehen, wo er bleibt?!


Insbesondere in der freien Wirtschaft und in der Dienstleistungsbranche sollen wir Arbeitnehmer flexibel sein – Schichtdienst, Arbeitszeiten bis nach 17 Uhr sind normal. Auch ist es nicht in jedem Beruf möglich, morgens um kurz 7 mit der Arbeit zu beginnen oder vor 16 Uhr mit der Arbeit aufzuhören. 45 Betreuungsstunden pro Woche sieht unser Vertrag vor, 50 Stunden hat die Kita bislang geöffnet. Viele Eltern nutzen ihre Vertragsstundenzeit nicht voll aus, weil ihre Arbeitszeiten nicht voll zur Öffnungszeit passen – selbst bei Teilzeit nicht. In vielen deutschen Großstädten öffnen Kitas deshalb inzwischen 24 Stunden lang. In Dortmund dagegen ist das Zeitfenster für Eltern jetzt sogar kleiner geworden: Wie soll man mit Betreuungszeiten bis 16 Uhr eine verantwortungsvolle Stelle bekommen – oder überhaupt eine, die sich auch mit verkürzten Betreuungszeiten auszahlt? Die neue Regelung ist eine Zumutung für alle, die auf zwei Einkommen angewiesen sind, für Alleinerziehende und alle, die nicht auf Großeltern zurückgreifen können und längere Anfahrtsstrecken zum Arbeitsplatz einplanen müssen. Warum bekommen die Deutschen nicht mehr Kinder? Warum bedeuten Kinder besonders für Frauen immer noch einen beruflichen Einschnitt? Genau wegen solcher Entscheidungen. Sie passen nicht zur realen Arbeitswelt – entsprechend passen auch Menschen mit Kindern nicht in diese:
Qualifizierte Arbeitskräfte werden durch solche Beschlüsse auf dem Arbeitsmarkt behindert und schlimmstenfalls von ihm fern gehalten – das schwächt auch die soziale und wirtschaftliche Struktur der Stadt.


Für die Familien, die in unserer Kita akut betroffen sind, findet unsere Kita jetzt eine Übergangslösung. Das erleichtert uns. Die Situation für alle zukünftigen Eltern (und auch für die, die weitere Kinder neu in städtischen Kitas anmelden) ist und bleibt aber düster. Wir schätzen die Arbeit unser Erzieherinnen sehr und wir wissen, dass sie personell am Limit arbeiten. Wir wissen auch, dass das KIBIZ-Gesetz den Kommunen finanzielle Lasten aufgebürdet hat – die sie jetzt mit diesem Schritt an uns weitergeben. Wir erwarten aber von einer Stadt und einer Stadtpolitik, die sich offiziell als familienfreundlich bezeichnet, dass sie mehr dagegen tut, die Fehler im Gesetz zu beheben und vor allem, dass sie dabei das Wohl der Kinder und ihrer Bürger in den Vordergrund stellt – und nicht nur ihre Finanzen.
Die Reduzierung der Öffnungszeiten ist laut Fabido eine Anpassung an die Rahmenbedingungen, die das KIBIZ-Gesetz vorgibt: Es gilt aber schon seit 2008 und das Änderungsgesetz seit 2011. Es liegt wohl eher daran, dass mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Unter-Dreijährige eigentlich mehr Personal eingestellt werden müsste. Es soll aber eben einfach nicht mehr Geld in die Arbeit mit Kindergarten-Kindern investiert werden. Zu Lasten der Eltern, zu Lasten der Kinder und insgesamt auch zu Lasten des pädagogischen Personals. Denn eigentlich kosten flexible Arbeitszeiten nicht mehr Geld. Erst wenn insgesamt zu wenig Personal da ist, werden sie zur zusätzlichen Arbeitsbelastung für das Personal. Deshalb wurde jetzt von Fabido an unser schlechtes Gewissen appelliert: „zum Wohle der Kinder“ soll die Arbeitszeit der Erzieherinnen stärker gebündelt werden – sie sollen schließlich bald auf noch mehr jüngere Kinder aufpassen?!
Wenn die langen Öffnungszeiten so offensichtlich zu Lasten der Erzieherinnen gehen, müssen Sie für mehr Personal sorgen - statt das Angebot zurückzufahren.
Der berufliche Stress ihrer Eltern und die ungesicherte Betreuungssituation sind ganz sicher nicht zum Wohle der Kinder. Dortmund hat mit der Entscheidung, seine Kitas kürzer zu öffnen, einen Rückschritt gemacht. Wir bitten Sie, die Entscheidung im Sinne einer familienfreundlichen Politik zu korrigieren. Sie als kommunaler Verantwortungsträger sind gefordert – und zwar jetzt.